Militärputsch in Myanmar: Einschätzung zur aktuellen Lage von unserem lokalen Guide

Militärputsch Myanmar

Inhaltsverzeichnis

Militärputsch in Myanmar: Nach einem Jahrzehnt nach Ende der Militärdiktatur hat die Armee durch einen Militärputsch in Myanmar wieder die Macht an sich gerissen. Was ist passiert? Wie ist die Situation vor Ort? Und welche Folgen erwarten wir? Unser lokaler Guide Andreas* vor Ort in Myanmar berichtet.

Andreas, es gab in der Nacht zum 01.02.2021 einen Militärputsch in Myanmar. Was genau ist in der Nacht passiert?

Montagmorgen um etwa 02:30 Uhr haben die Streitkräfte begonnen, die Regierung zu verhaften, darunter den Präsidenten, den 1. Vizepräsidenten (Zivilist) und die Staatsrätin Daw Aung San Suu Kyi. Weiterhin wurden das Kabinett, einige „Chief Ministers“ (wie in Deutschland die Ministerpräsidenten der Länder) und eine Anzahl von Abgeordneten der NLD verhaftet. Die NLD stellt die Regierung. Der zweite Vizepräsident, ein Generalleutnant, wurde als kommissarischer Präsident eingesetzt und untersteht dem Oberbefehlshaber der myanm. Streitkräfte, Senior General Min Aung Hlaing. Es wurde der Ausnahmezustand ausgerufen.

Am Vormittag des 01.02.2021 gab es in den lokalen Medien erste Berichte zum Ziel und Zweck der Machtübernahme durch das Militär. Demnach ist geplant, dass diese „Phase“ auf 12 Monate begrenzt ist und dann man plant, Neuwahlen abzuhalten. Nach den Wahlen wird die gewinnende Partei  eine neue Regierung bilden. Heute, am 2. Februar 2021, erschienen in den lokalen Medien erste Namenslisten. Der Oberbefehlshaber bzw. der kommissarische Präsident haben Listen mit Namen veröffentlichen lassen, die die Namen der einstigen und nun neu bestellten Minister auflisten. Diese neu ernannten Minister sind überwiegend Zivilisten. Diejenigen Minister, die Generäle sind, führen die Ministerien, die auch schon zuvor mit Generälen besetzt waren (Verteidigung, Innen und Grenzangelegenheiten).

Im Laufe des 1. Februar wurden zeitweise die Mobilfunknetze und das Internet abgeschaltet. Spätestens am Abend aber konnte man wieder ganz normal kommunizieren. In den sozialen Medien häuften sich massenhaft Ankündigungen von weiteren Internet- und auch Stromabschaltungen, die aber allesamt nicht eingetroffen sind.

Wo genau hat sich der Militärputsch in Myanmar abgespielt?

Der Militärputsch in Myanmar begann in der Hauptstadt Naypyidaw, etwa 5 Autostunden nördlich der alten und kommerziellen Hauptstadt Yangon. In Naypyidaw befinden sich die Ministerien und die Parlamente. In Yangon wurde das Rathaus in der Innenstadt von Sicherheitskräften umstellt. 

Yangon 5050076 1920
Yangon, Myanmar

Militärputsch in Myanmar: Warum ist das Militär gegen die Regierung vorgegangen?

Im November 2020 fanden Parlamentswahlen statt, die mit überwältigender Mehrheit von der NLD gewonnen worden sind. Die Streitkräfte und die politische Partei USDP als „Hauspartei“ der Streitkräfte erhoben den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten und eventuellem Wahlbetrug und forderten Zugang zu den Wahlzetteln, verschiedener Register und eine mögliche Neuauszählung der Stimmzettel. Die UEC (Union Election Commission) ist dieser Forderung nicht nachgekommen.

Vermittlungsgespräche zwischen Militär und Regierung führten zu keinem Ergebnis. Vergangene Woche verhärteten sich Fronten, und erstmals wurden vom Militär die Möglichkeiten eines Putsches ins Spiel gebracht, der zu großer Unruhe führte.  Das Militär ruderte dann zurück und sagte, man hätte die Aussagen des Militärs falsch verstanden. Der Militärputsch in Myanmar am frühen Montagmorgen geschah wenige Stunden vor der ersten konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments in Naypyidaw.

Die Streitkräfte haben die verfassungsrechtliche Möglichkeit zur Machtübernahme, wenn sie die Einheit, Souveränität und Ordnung in Myanmar bedroht sehen. Mit den Vorwürfen des Wahlbetrugs und Unregelmäßigkeiten während der Wahl im November 2020 und der Unnachgiebigkeit der UEC  sahen sie die Ordnung und Souveränität in Myanmar bedroht. Eigentlich aber hätten sie den Nationalen Sicherheitsrat einberufen müssen, der über den Ausnahmezustand entscheidet, aber das wurde nicht getan, da sich der (jetzt in Haft befindliche) Präsident wohl geweigert hatte, diesen Rat einzuberufen. Entgegen früherer Machtübernahmen durch das Militär (1962, 1988) wurde aber dieses Mal die Verfassung nicht außer Kraft gesetzt. 

Weiterhin geht es wohl um den Oberkommandierenden, Senior General Min Aung Hlaing, der im Sommer 2021 65 Jahre alt wird, und damit laut Vorschriften des Militärs in den Ruhestand gehen muss. Man nimmt an, dass er dazu nicht bereit ist und dass er später als Zivilist eine politische Funktion übernehmen wollte, die mit ähnlicher oder einer zumindest hohen Machtfülle ausgestattet ist, was ihm nicht gelungen ist, da die USDP im November nur sehr wenige Mandate errungen hat. 

Militärputsch In Myanmar: Triplegend Berichtet Mit Exklusivem Interview

Welche Rolle spielt dabei die De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und ihre Partei die Nationale Liga für Demokratie (NLD)?

Da sie in Haft sitzt, spielt Aung San Suu Kyi gegenwärtig keine Rolle. Sie hätte in den letzten Monaten und Wochen aber durchaus darauf hinwirken können, dass die Forderungen der Streitkräfte nach Prüfung der Wahlunterlagen und Stimmzetteln umgesetzt werden, oder wenigstens beschwichtigen können. Nach der Machtübernahme gestern kündigte das Militär an, das Wahlgesetz zu reformieren. Wenn voraussichtlich im November 2021 Neuwahlen geschehen werden, ist davon auszugehen, dass die NLD wieder einen Sieg davontragen wird und dass Suu Kyi wieder in ein hohes Amt gelangen wird. Meiner Meinung nach würde dann auch ein solches Ergebnis vom Militär akzeptiert werden, wenn absolute Transparenz im Wahlgang sicherstellt, dass Vorwürfe hinsichtlich von Unregelmäßigkeiten nicht wieder neu aufflammen.

In welcher Weise wurde das öffentliche Leben durch die Militärjunta beeinträchtigt?

Junta heißt „Rat“ und ein solcher Rat wurde gestern nicht gebildet! Die Militärregierungen SLORC und SPCD ab 1988 bzw 1997 waren Militärräte, die ohne verfassungsmäßige Grundlage auf der Basis von Erlassen und Dekreten regierten. Mit der Übernahme gestern wurde die Verfassung nicht außer Kraft gesetzt und die Regierungsgewalt wird vom kommissarischen Präsidenten, der zuvor Vizepräsident war, ausgeübt. Diese Ämter haben Verfassungsrang!

Gestern kam es zu Ausfällen der Kommunikation und des Fernsehens. Weiterhin war zu hören, dass es einen Sturm auf Lebensmittel gab. Heute scheint wieder alles seinen normalen Gang zu laufen. Ich war gerade auf dem Markt – es ist alles wie sonst. Die durch COVID-19 bedingte nächtliche Ausgangssperre von 0 bis 4 Uhr wurde wohl (noch unbestätigt) auf 20 bis 4 Uhr ausgedehnt.

Die größte Einschränkung allerdings ist die Sperrung sämtlicher Flughäfen für den Inlands- und Fernverkehr bis zum 31.05.2021. Zwar gab es durch COVID-19 keinen oder kaum Linienverkehr, sondern nur sog. Relief Flights, aber man konnte wenigstens ins Ausland oder vom Ausland nach Myanmar reisen, auch wenn das mit erheblichen Hürden für Ausländer verbunden war, aus dem Ausland nach Myanmar zu reisen. Nun aber wurden sämtliche Lande- und Startrechte außer Kraft gesetzt.

Durch Covid gab es bereits Ausgangssperren und Anordnungen, zu Hause zu bleiben. Man durfte einkaufen, zur Arbeit und zum Arzt gehen. Das hat sich nicht verschlimmert oder verbessert. Restaurants bieten seit Monaten nur Lieferdienst und Abholung an.

Militärputsch in Myanmar: Welche Auswirkungen wird er auf den Tourismus haben? Bleiben jetzt die Touristen auch nach COVID-19 weg?

Mit dem demokratischen Übergang ab 2011 stiegen die Ankünfte ausländischer Touristen in Myanmar jährlich rasant an. Vor 2011, zur Zeit der Militärräte, galt es als „nicht schick“, in ein Land zu reisen, das vom Militär regiert wird. Da aber jetzt die Verfassung weiterhin in Kraft ist und die Dauer des Ausnahmezustands auf „nur“ ein Jahr beschränkt ist, nehme ich an, dass wir kaum Auswirkungen sehen werden. Vor dem Hintergrund von COVID-19 wären ausländische Touristen frühestens erst ab Oktober 2021 wieder nach Myanmar gekommen, wenn die Impfungen verabreicht worden sind.

Militärputsch Myanmar: Auswirkungen Auf Den Tourismus Des Landes

Was mich immer wundert ist, dass Thailand seit 2014 ganz ähnlich vom Militär regiert wird, und dass Touristen, die nach Thailand reisen, dann überhaupt keine „moralischen“ Bedenken haben. Im Gegenteil, vor COVID-19 verzeichnete Thailand etwa 40 Millionen Touristen jährlich, mit stark steigender Tendenz, und dass trotz eines tatsächlichen „Militärrats“ dort. Allerdings kann ich keine konkrete Aussage dazu treffen, sondern nur schätzen.

Wie schätzt du die aktuelle Sicherheitslage für Ausländer im Land ein?

Da man wegen COVID-19 nicht oder kaum reisen durfte, waren und sind alle Ausländer und auch die Einheimischen an ihren Wohnort gebunden, gehen zur Arbeit, Einkaufen und vielleicht zum Arzt. Dieser Rhythmus ist seit Monaten etabliert. Ich sehe kaum Einschränkungen der Lage. Selbst wenn es zu Protesten der einheimischen Bevölkerung kommt, sind diese auf die Streitkräfte gerichtet, und nicht gegen Ausländer. Dennoch würde ich solche Ansammlungen natürlich meiden.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Landes?

Mehr Dialog zwischen dem Militär und der zivilen Regierung. Das Militär wird laut seiner Tradition und laut verfassungsrechtlicher Bestimmungen auf Jahre oder sogar Jahrzehnte integraler Bestandteil des politischen Systems bleiben. Sie werden erst dann schrittweise mit einem Rückzug aus ihrer politischen Rolle beginnen, wenn sie sicher sind, dass die verfassungsmäßige Ordnung ein stabiles, sich selbst tragendes politisches System schafft, das keiner weiteren Aufsicht, Kontrolle oder gar Intervention bedarf.

Die Vorstöße der zivilen Regierung, durch Abstimmungen diese verfassungsmäßige Rolle vorzeitig zu beenden, sind nicht nur immer gescheitert und haben zu weiteren Spannungen geführt. Weiterhin sorgen solche Vorstöße dafür, dass sich die Streitkräfte in ihrer Rolle als nicht ernst genommen sehen. Nur das Militär hat die Macht, seine eigene politische Teilhabe im politischen System Myanmars zu terminieren.

Vielen Dank Andreas für dieses detaillierte und aufschlussreiche Interview über den Militärputsch in Myanmar. Weitere Hintergrundinformationen zum Militärputsch in Myanmar liefern Deutschlandfunk – Der Tag sowie die Tagesschau.

*Name aus Sicherheitsgründen von der Redaktion geändert

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